
Leipzig
Wunderbare Stadt der zarten Impulse. Fünf Kaffees an drei Orten, eine überfüllte Buchmesse und bleibende Erinnerungen.
Man hört ja so einiges über Leipzig, und irgendwie hatte es mich nie zuvor in diese doch so wunderbare Stadt gezogen. Frühere Freunde wohnen dort, jahrelang hat mir Swarm spannende Orte aus Leipzig in meinen Feed gespült, bis sie irgendwann einfach aufhörten zu schwärmen. Meine Cousine lebt auch dort mit ihrem schwarzen Freund, der harten Rassismus erlebt. Fuck!
Jahrelang war Leipzig in meiner Wahrnehmung als ein „kleines Berlin“ verankert, geprägt durch nicht prägende Erinnerungen. Doch zumindest meine erste zarte Wahrnehmung bestätigt diesen Eindruck. Es ist irgendwie cool – die Architektur, die Menschen, das Flair, das Gefühl.
Alles Fragmente, Impulse, die ich mag.
Die Messe. Realität und Erwartung und viele unbeantwortete Fragen. Ist es gut, dass man alle Tage Bücher erwerben kann? Für die Verlage vermutlich ja. Doch es bringt viel Unruhe mit sich: Gedränge und Geschiebe, Wühltisch-Gefühl statt ruhigem Stöbern. Dafür wäre ohnehin kein Platz gewesen. Die Events, Talks, Podcasts und TV-Aufzeichnungen – eigentlich war die Agora für diese Menge an Menschen stets zu klein. Rekordbesucherzahlen als post-pandemische Erfahrung und Lebenslektion zugleich: viele Menschen sind zu viele. Es erzeugt ein unangenehmes Gefühl; ich spüre, dass ich ab einer gewissen Menschenmenge die nötige Ruhe verliere. Der Sog – andere nennen es Flow – setzt entweder nie oder viel zu spät ein. Die Kunst, Menschen auszublenden und in der eigenen Welt versunken zu sein, fällt mir in dieser Masse schwer.
Podcast-Fragment im Vorbeihuschen: Selbstverschuldete Hässlichkeit. Wir leben in einer Welt des Konsums. Fast Fashion, Influencer, Milliardenbeträge, die in Werbung investiert werden, um uns täglich zu zeigen, was wir angeblich brauchen. Kleidung, Ästhetik oder der aktuell angesagte Lifestyle – ein ständiges Urteil: Du bist bewusst hässlich. Du könntest dich ja dem gesellschaftlichen Ideal anpassen, zumindest theoretisch, wenn du wolltest.
Sebastian Klein spricht im Podcast „auch-das-noch-krisenpodcast“ über Millionenbeträge, die er in seine eigene Stiftung für den guten Zweck spendet, über Marlene Engelhorn und Friedrich Merz, den einzigen Mittelschichtler mit eigenem Flugzeug.
Tue Gutes, sprich darüber und schreib ein Buch… und nutze die Einnahmen für weitere gute Zwecke?
Ehrlich, selbstreflektiert, kritisch hinterfragend und kurzweilig unterhaltsam war diese Live-Podcast-Aufzeichnung. Keine gänzlich neuen Erkenntnisse über Sebastian, aber wer ihn nicht kennt und sich für Weltverbesserer interessiert, sollte ihn unbedingt entdecken. Ehrlich gesagt hätte ich sein Buch auf der Messe gekauft, aber leider war sein Verlag nicht vertreten.
Porridge und Brot, Brot und Bibliotheken und Kaffee.
Leipzig ist doppelt so groß und etwas mehr als Wiesbaden – und in diesem kurzen Fragment, das durch die warm getönte Ray-Ban-Brille, die ich einst auf der Straße fand, gefiltert ist, lag ein besonderer Esprit über der Stadt. Sicher nicht die objektive Realität, sondern rein subjektive Wahrnehmung. Doch mit ihren Cafés, hippen Bäckereien, wunderbaren Buchhandlungen und Menschen, die zumindest an diesen Tagen noch nicht gänzlich im Alltagsstress ausgebrannt schienen, war es ein wirklich guter Trip. So einen entspannten Smalltalk mit einem Barista hatte ich in Wiesbaden schon länger nicht mehr.
Wiesbaden und Porridge nähern sich noch nicht an.
Über Kaffee kann man diskutieren, Frühstück wird besser. Hipp(ster) braucht in Wiesbaden noch ein wenig Zeit.
Gastronomie mit echtem Ansteh-Effekt gibt es hier noch nicht. Das, was früher in New York mal cool war und heute von Influencer:innen geprägt ist, die leider nur blind dem Erst-Fluencer hinterherlaufen. Die Welt braucht mehr und bessere Geheimtipps. Auch wenn sie in Leipzig längst keine Geheimnisse mehr sind:
Drei Cafés und fünf Kaffees.
Fantastisch liebevoll liebloses vegetarisches Essen in der Vleischerei.
Eine hippe, moderne Buchhandlung und ein Brot, für das man gerne ansteht, um dann glücklich zu schaukeln.
Besucht diese wunderbaren Orte und seid die Menschen, denen ihr selbst gern begegnen würdet. Wald rein, Wald raus.
https://maps.app.goo.gl/MApicRWXWPSai2Ur9
Und besucht unbedingt das Völkerschlachtdenkmal. Empfohlen von Andrea und Lenny – völlig zurecht.